Wiesengenossenschaften
Die Zeugnisse des „Wiesenbaus“ stellen ein kulturgeschichtliches Erbe des Wendener Landes dar, das in seiner Dichte und in seinem Erhaltungszustand im südwestfälischen Raum kaum seinesgleichen findet. Der Begriff des „Wiesenbaus“ bezeichnet eine Kulturtechnik, mit der ab Ende des 19. Jahrhunderts die Ertragsfähigkeit der Wiesen in den Talauen durch ein räumlich und zeitlich komplexes Management von gezielter Be- und Entwässerung beträchtlich gesteigert wurde.
In Schönau und Altenwenden war das auch bitter nötig. So heißt es in einem Schreiben der königlichen Generalkommission an den Landeshauptmann der Provinz Westfalen vom 27.Februar 1905 wenig schmeichelhaft: „Schönau und Altenwenden gehören bekanntermaßen zu den heruntergekommensten und ärmsten Gemeinden des Amtes Wenden, bei den sich ja überhaupt die Notwendigkeit herausgestellt hat, nach jeder Richtung hin mit namhaften öffentlichen Mitteln die Bewohner vor dem gänzlichen Untergange zu schützen. (…) Die Anlage größerer Weideflächen ist im Werke. Als letztes Glied der zur Ermöglichung geordneter Wirtschaftsverhältnisse notwendigen Maßregel ist die Herrichtung von Wässerwiesen geplant.“ (Kreisarchiv Olpe, A 7538).
Ein deutschlandweit bekannter Experte auf diesem Gebiet war der königliche Wiesenbaumeister Andreas Heinemann (1858-1949) aus Siegen, Lehrer an der dortigen Wiesenbauschule. Von ihm stammen auch die Entwürfe zur Verbesserung der Wiesen im Albetal. Möglich war die Umsetzung dieser Pläne allerdings nur durch Unterstützung der Flurbereinigungsbehörde und die von ihr initiierte Gründung von Wiesengenossenschaften.
1904 schlossen sich 41 Wiesenbesitzer im Albetal oberhalb von Schönau zur „Be- und Entwässerungsgenossenschaft für das obere Albetal“ in einer Gesamtgröße von 22,62 Hektar zusammen. 1905 folgten 45 Besitzer von Wiesen im Albetal unterhalb von Schönau diesem Beispiel und gründeten die „Ent- und Bewässerungsgenossenschaft für das untere Albetal“ (19,34 Hektar). Zwar wäre es für die Wiesenbesitzer im „Langewiesetal“ mit zusammen gerade einmal 6,60 Hektar Wiesenfläche naheliegend gewesen, sich der Genossenschaft für das obere Albetal anzuschließen, doch fürchtete man dort höhere Beiträge entrichten zu müssen und entschied sich zur Gründung einer eigenen Genossenschaft.
Einen umfassenden Überblick über Entstehung, Blüte und Niedergang des Wiesenbaus im Wendener Land sowie die Entstehung der Weidekämpe vermittelt die Master-Arbeit von Hanna Bümmerstede aus dem Jahr 2017. Neben Ausschnitten historischer Karten finden sich dort auch interessante Auszüge aus Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern aus Schönau, die den Wiesenbau in ihrer Kindheit und Jugend als Teil des dörflichen Alltags erlebt haben.
Sicher gibt es aber noch weitere, unbekannte oder in Vergessenheit geratene Aspekte zu diesem Thema:
- Wer hat noch Fotos, die Elemente und Arbeiten des Wiesenbaus zeigen (z. B. Wehre und Gräben, überflutete Wiesen)?
- Hat noch jemand typische Gerätschaften wie z. B. ein Wiesenbeil?
- Gibt es vielleicht noch Exemplare der von Heinemann verfassten Lehrbücher in unseren Orten, die man digitalisieren könnte?
Quellen:
- Rademacher, Willy (1991): Agrarordnung im Kreis Olpe. Schriftenreihe des Kreises Olpe, Nr. 17. S. 85-87.
- Bümmerstede, Hanna (2017): Spuren des Wiesenbaus um 1900 im Wendener Land. Masterarbeit (M.Sc. Umweltplanung) an der Leibniz Universität Hannover. 151 Seiten. https://www.umwelt.uni-hannover.de/fileadmin/umwelt/Publikationen/Schriftenreihen/Arbeitsmaterialien/AM_60_Wiesenbau_Buemmerstede_2017.pdf
Update:
Es gibt in Schönau tatsächlich noch alte Gerätschaften aus der Zeit des Wiesenbaus, nämlich ein Wiesenbeil!